Mit Flächenfraß aus der Finanznot?

Bedroht durch Finanznot

Am 23. März beschloss die Mehrheit des Reutlinger Gemeinderats eine Neuaufstellung des Flächennutzungsplans, mit einem Vorrang der Innenentwicklung, aber immer noch mit der Option für Gewerbe (43 ha) und Wohnbau (67 ha) Außenflächen versiegeln zu können. Ob mit diesem klimaschädlichen Beschluss, das Ziel erreicht wird, die städtischen Einnahmen zu verbessern, wird selbst vom Baden-Württembergischen Ministerium für Verkehr und Infrastruktur in Frage gestellt – siehe unten.

Mit dieser Rede haben wir unsere Ablehnung begründet:


In der Mitteilungsvorlage 23/038/01 wird auf unseren Antrag Moratorium Innen vor Außenentwicklung eingegangen. Darin heißt es unter anderem „Der Antrag geht weit über das Thema Innen- statt Außenentwicklung hinaus“. Und es wird auf den Wohnraumbericht verwiesen. Eine Argumentation, die wir nicht nachvollziehen können, weil wir eine Liste von Maßnahmen zur Innenentwicklung vorschlagen, die eine weitere Außenentwicklung überflüssig machen könnte.

Wir haben bereits bei den Leitlinien zur Gewerbeflächenentwicklung kritisiert, dass die unzureichende finanzielle Ausstattung der Kommunen durch die Bundespolitik insbesondere Reutlingen dazu zwingt, den nicht vermehrbaren Boden weiter zu versiegeln.

Diese Bundespolitik, die sich selbst zum Ziel gemacht hat, den täglichen Flächenverbrauch bis in 7 Jahren zu halbieren. Spätestens dann wird dieses Ziel erreicht werden, wenn keine unbebauten Flächen mehr zur Verfügung stehen.
Dann aber ist das Klima längst kollabiert. Der Weltklimarat hat diese Woche wieder Alarm geschlagen. „Die Klima-Zeitbombe tickt“ kommentierte UN-Generalsekretär António Guterres.

Glauben wir der aktuellen Einschätzung des Klimasachverständigenrats muss sich Baden-Württemberg sogar auf einen deutlich stärkeren Temperaturanstieg als bislang gedacht einstellen.
Gestern konnte man in den Medien lesen, dass in Baden-Württemberg im Jahr 2021 2.278 Hektar versiegelt wurden, das entspricht einer Fläche von etwa 3.254 Fußballfeldern. Durchschnittlich wurden im vergangenen Jahr 6,2 Hektar täglich für neue Wohngebäude, Industrie- und Gewerbeflächen sowie für den Verkehr bebaut.

Die Grünen und die CDU in Baden-Württemberg wollen bis zum Jahr 2035 erreichen, dass im Land unterm Strich keine neuen Flächen mehr verbraucht werden. Im Koalitionsvertrag heißt es: „Wir wollen den Flächenverbrauch weiter reduzieren und halten weiterhin an dem Ziel der ‚Netto-Null‘ fest.“
Nach den genannten aktuellen Meldungen der Klimaexperten, dürfte dieses Ziel nicht ambitioniert genug sein.Auf der einen Seite ergreifen wir Klimaanpassungsmaßnehmen, auf der anderen Seite heizen wir das Klima mit weiterer Flächenversiegelung an.
Das Baden-Württembergische Ministerium für Verkehr und Infrastruktur warnt in der Broschüre „Zukunft sichern – mit Flächen haushalten“:
„Bei plausibler Betrachtung aller Faktoren können Neubaugebiete für kommunale Haushalte, insbesondere bei langen Aufsiedlungszeiträumen und fehlender Grundstücksnachfrage, zu einem Minus-Geschäft werden. Jede Gemeinde sollte deshalb die langfristigen Folgekosten zur Bereitstellung und Aufrechterhaltung von Infrastruktur auf der grünen Wiese abschätzen und mit denen der Innenentwicklung vergleichen, insbesondere auf Grundlage der voraussichtlichen Bevölkerungsentwicklung.“
Der Boden ist der zweitgrößte Kohlenstoffspeicher der Erde. Wird er versiegelt, trägt das zum Klimawandel bei.
Der Flächenverbrauch verstärkt nicht nur den Klimawandel, sondern er zerstört unwiederbringlich Flora und Fauna. Gegen eine Bebauung z.B. des Gebietes Bergäcker-Halden stehen neue Naturschutzgesetze zum Schutz von Streuobstwiesen
und ausgewiesenen Biotopverbunden. Mit entsprechenden juristischen Klagen ist zu rechnen.
Ausgleichsflächen bei FFH-Mähwiesen und hochwertigen Streuobstwiesen müssen über die doppelte Fläche verfügbar sein und über Jahre gepflegt werden, mit der Unsicherheit, dass es nicht funktioniert.
Die Liste der Bedenken könnte noch fortgesetzt werden mit den Themen verschlechterte Frischluft, Hochwassergefahren, zusätzlicher Verkehr, Verlust an Naherholungsgebieten usw.
Genügend Bedenken für uns, die Neuaufstellung Flächennutzungsplan abzulehnen.

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